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20.10.2021Open Air Galerie Hammerschmiede: 4 Michael Hank Becker
Der Maler Michael Becker, der zudem als Hank Ockmonic als Musiker tätig ist, zeigt mit einem Motiv aus der Kiosk-Serie das vierte Plakat der Open Air Galerie Hammerschmiede.
Becker, so scheint es, hat eine Vorliebe für nicht mehr ganz Neues. Seien es Gebäude der Stadt Kassel, Motive von Filmklassikern, Pin-up-Models oder ehemalige Spieler von Eintracht Frankfurt: in den Bildern schwingt eine Nostalgie, die schwer zu ignorieren ist. Durch die nachträgliche Kolorierung am Computer konzentriert sich gleichwohl ein heiteres, leichtes Moment, sodass die Zeichnungen nicht wie alte Bilder aus vergangenen Zeiten erscheinen. Beckers Grafiken wirken mitunter wie einzelne Motive einer Graphic Novel, deren Kontext verloren gegangen scheint.
Der „Kiosk an der Werner-Hilpert-Str.“ der an der Ecke Joseph-Beuys-Straße, vor dem Gebäude des Hotel Reiss steht, zeigt laut Becker ein Stück Alltagsleben in Form eines „architektonischen, unprätentiösen Kleinodes“. Als kleine Verkaufsstellen konzipiert, hat das von der Nachkriegsachitektur der 1950er- und 1960er-Jahre geprägte städtische Gewebe Kassels bis heute einige dieser charakteristischen freistehenden Gebäude. Im Laufe der Jahrzehnte sind diese mittlerweile denkmalgeschützten Bauwerke von diversen Pächter*innen in unterschiedlichsten Formen betrieben worden. In Beckers Darstellungen, in denen stilisierte Menschen und Figuren an den kleinen Tresen lehnen oder unter Sonnenschirmen sitzen, sind die Kioske belebt. Die Gebäude erfüllen ihre Funktion.
So zeigt auch die Darstellung des 1956 nach dem Entwurf von Kurt Twelker (1909–2000) fertig gestellten Kiosks auf dem großformatigen Bild nicht die metallgerahmte Glasfläche der verkaufsseitigen Fassade. Es zeigt Stühle und Tische, die ein klein wenig abseits der viel befahrenen Werner-Hilpert-Straße hinter dem Gebäude aufgestellt sind und zum Verweilen einladen sollen.
Als offene, freistehende Pavillone sind Kioske seit dem 13. Jahrhundert in Zentral- und Südwestasien in Park- und Gartenanlagen bekannt. Als ebensolche gelangte die Bauform im 18. Jahrhundert in den Westen und wurde ab dem 19. Jahrhundert schließlich auch als Bezeichnung für eine kleine Verkaufsfläche genutzt. Es erheitert zuweilen der Gedanke, dass es in Deutschland allzu dumpfe Gemüter geben wird, die täglich an einem Kiosk Tabakwahren und Getränke kaufen und zugleich die Tatsache, dass nicht zuletzt auch diese Bezeichnung aus dem Mittelpersischen (kūšk) über das Französische (kiosque) in die deutsche Sprache übernommen wurde, zutiefst verachten werden.
Michael Becker hat ungarische und oberhessische Wurzeln. Er studierte Musik und Kunst in Kassel. Mit Hank und die Shakers sowie Speed Chicken tritt er seit Jahren als Hank Ockmonic auf. Mit Randfilm e.V. Kassel verbindet ihn eine jahrelange Freundschaft und Kollaboration. Gemeinsam haben sie das Programm "Hank und die Shakers spielen Ennio Morricone" auf Bühne und Schallplatte gebracht. Eine neue LP mit Eigenkompositionen befindet sich aktuell im Presswerk. Becker gibt darüber hinaus Gitarren-, Klarinetten- und Klavierunterricht.
Text: Simon Großpietsch
Michael Hank Becker
Kiosk an der Werner-Hilpert-Str., 2011
30 x 42 cm
Papier, Bleistift, Filzstift, Permanentmarker, computergenerierte Kolorierung
02.10.2021Open Air Galerie Hammerschmiede: 3 Hildegard Schwarz
Hildegard Schwarz zeigt auf dem dritten Plakat eine Fotografie ihrer Installation „Aufgedeckt“, die sie 2016 im Rahmen der Gruppenausstellung OrtLos des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler e.V. im Burggarten Wolfhagen zeigte.
In der die Ausstellung begleitenden Publikation schreibt Julia Ronge dazu:
„Hildegard Schwarz hat sich in ihrer Arbeit Aufgedeckt vom Ausstellungsort in Wolfhagen inspirieren lassen und wählte als Ort für ihre Arbeit eine Nische in der den Burggarten umgebenden Mauer. Über eine Treppe gelangt der Besucher auf ein kleines Aussichtsplateau. Die gesamte Fläche des Steintisches, der in dem Erker zu finden ist, wurde mit einem Spiegel verkleidet. Durch diesen künstlerischen Eingriff vervielfältigt sich der Ort. Realer Raum und virtueller Raum verschmelzen – was ist Spiegelung, was Realität. Mit der Veränderung der Umgebung ändert sich gleichermaßen das Kunstwerk, das Bild, das es erzeugt. Ein flüchtiger Augenblick wird kurz festgehalten und verschwindet sogleich.“
Schwarz wurde in Kassel geboren und studierte Innenarchitektur (mit Diplomabschluss) an der Werkkunstschule Hannover. Seit 1995 ist sie als freischaffende Künstlerin mit den Schwerpunkten Malerei, Zeichnung, Druckgrafik (Cyanotypie) und Installation mit eigenem Atelier in Kassel tätig. Sie hat an zahlreichen Ausstellungen teilgenommen, wie beispielsweise 2014 an der 9. International Biennial of Drawing Pilsen, Tschechische Republik. 2017/2018 war sie Teilnehmerin des RA Academic Programmes der Royal Academy of Arts in London. In 2017 erhielt sie den 1. Preis beim UPK Kunstpreis, „Demokratie & Macht“. Der Landkreis Kassel lud Schwarz 2018 zur Teilnahme am Internationalen Künstler-Symposium in Colibiţa in der Region Bistriţa-Năsăud, Rumänien ein. Als Mitglied des Vorstandes im BBK Kassel-Nordhessen kuratiert sie zudem regelmäßig Ausstellungen des BBK.
Hildegard Schwarz
Aufgedeckt, 2016
ca. 120 x 120 cm
Kunststoffspiegel
Foto: Hildegard Schwarz, 2016
15.09.2021Open Air Galerie Hammerschmiede: 2 Isabel Lopez Traudt
Das zweite Plakat ist die Vergrößerung einer Zeichnung von Isabel Lopez Traut. Sie zeigt zwei Kinder, die in einer angedeuteten Raumecke eng beieinander sitzend, intensiv auf einen Gegenstand schauen. Der Titel der Arbeit („Das Spiel“) bestätigt die sich einstellende Vermutung, dass es sich dabei um eine Spielkonsole handelt.
Das Videospiel generiert Aufmerksamkeit: während eines der beiden Kinder konzentriert spielt, schaut das andere dabei neugierig – oder in der Erwartung, selbst gleich an der Reihe zu sein – auf den Bildschirm.
„Das Spiel“ ist ein durchaus intimes Moment der Kontemplation in eine der ältesten Formen der menschlichen Beschäftigung. Erste Formen eines Spiels sind bis 3.000 vor der Zeit zu rekonstruieren. Das Spiel daheim, ob elektronisch oder analog, steht gleichwohl nicht in Konkurrenz zum energischen Bolzen oder Spiel in der Natur, wie vielfach moniert wird. Es ist eine von vielen Formen des reinen Vergnügens und des Zeitvertreibs. In der mehrfachen Vergrößerung auf die zuweilen sehr unfreundliche Wolfhager Straße projiziert, kann der private Augenblick zweier Kinder auch als Aufforderung verstanden werden, mal wieder und vor allem ohne den Gedanken des Wettkampfes, einfach zu spielen.
Schwerpunkmäßig arbeitet Isabel Lopez Traudt, die 1963 in Lausanne/Schweiz geboren wurde, mit den Medien Zeichnung und Hochdruck. Die Motive und Themen Ihrer Arbeiten umfassen einerseits verlassene Orte und Landschaften, die auf Grundlage von selbst angefertigten Fotografien entstehen. Andererseits befasst sich Lopez Traudt mit „der Darstellung von Menschen und ihren Stimmungen im Kontext bestimmter Situationen“, wie sie es selbst formuliert. Die Vorlagen für diese Bilder ergeben sich aus öffentlichen Bildern, die sie in der Presse und dem Internet findet.
„Bei Das Spiel ging es mir um die Darstellung von Freundschaft in einem neuen Kontext. Mich faszinierten die Gegensätze von freundschaftlicher Nähe und Nicht-Kommunikation, vom kindlichen Zusammensein ohne miteinander zu Spielen. Der Schwerpunkt des Zusammentreffens ist das Spiel/Film auf dem Bildschirm.“, so Lopez Traudt.
Text: Simon Großpietsch
Isabel Lopez Traudt
Das Spiel, 2020
50 x 40 cm
Zeichnung / Copicstift auf Papier
18.08.2021Open Air Galerie Hammerschmiede: 1 Ruth Lahrmann
Das erste Plakat zeigt einen Ausschnitt einer Fotografie der Installation „fake news“, die 2020 von der Bildhauerin Ruth Lahrmann im kunstbalkon Kassel gezeigt wurde.
25 Skulpturen der Serie „fake“ stehen in der Tradition des Trompe-l’œil (Augentäuschung). Sie irritieren bewusst die Wahrnehmung durch das Spiel von Materialität und Wirkung: Was ist real und was verbirgt sich hinter der Erscheinung der Skulpturen? Offensichtliches wird infrage gestellt, dem ersten Blick sollte misstraut werden. Nichts ist so wie es scheint.
Ruth Lahrmann kommt aus Hamm in Westfalen und absolvierte eine handwerkliche Ausbildung als Steinmetz- und Steinbildhauerin. An der Werkkunstschule in Flensburg bildete sie sich als Gestalterin mit Schwerpunkt Bildhauerei weiter. Sie lebt in Kassel und ist freiberuflich als Bildhauerin tätig. Seit 2003 befindet sich ihr Atelier in der Hammerschmiede. Sie engagiert sich im Netzwerk Hammerschmiede sowie im Kunstbalkon und stellt regelmäßig aus.
„Die Hammerschmiede ist für mich mein berufliches Zuhause geworden, ein Freiraum für meine künstlerische Arbeit und ermöglicht mir den Austausch mit Künstlern und Musikern, die sich gemeinsam in unserem Netzwerk engagieren“, so Lahrmann zum Start der Open Air Galerie Hammerschmiede.
Ab dem 17.08.2021 wird es mit einer großformatigen Plakatwand an der Wolfhager Straße eine gemeinschaftliche Aktion der Mitglieder des Netzwerk Hammerschmiede e.V. geben: die Open Air Galerie Hammerschmiede. Sie ist eine Antwort auf die eingeschränkten Präsentationsmöglichkeiten und pandemiebedingt ausgefallenen Ausstellungen, Atelierrundgänge und Konzerte der Vereinsmitglieder.
Unterstützt wird die Aktion von dem Kulturamt der Stadt Kassel, das einen wichtigen Anteil der Finanzierung gewährte sowie mit freundlicher Genehmigung der Heindrich Immobilien GmbH, die den neuen Eigentümer des Geländes, die Sector Seven Investors GmbH vertritt.
Von der Wolfhager Straße aus sichtbar, zeigt die Open Air Galerie Hammerschmiede in den kommenden Monaten und im wechselnden Turnus von 3 Wochen auf einem Parkdeck der ehemaligen Hammerschmiede großformatige Arbeiten, die von den Vereinsmitgliedern gestaltet und auf LKW-Planen-Stoff gedruckt werden. Kuratiert wird die wechselnde Ausstellung im öffentlichen Raum von Dr. Simon Großpietsch, Kunstwissenschaftler aus Kassel.
Für den Start der Plakat-Aktion hat er die Arbeit von Ruth Lahrmann ausgewählt: ein Detail einer Fotografie von Thomas Wiegand, das die Installation „Fake News“ zeigt, die Lahrmann 2020 im Kunstbalkon in Kassel ausstellte.
Aufgrund der lange geltenden Vorschriften zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2, war es den Vereinsmitgliedern des Netzwerk Hammerschmiede e.V. in den vergangenen Monaten nicht möglich, ihre Arbeiten in öffentlichen Ausstellungen, in ihren Ateliers, auf Konzerten oder anderen öffentlichen Veranstaltungen zu zeigen. „Wir wollten unseren Vereinsmitgliedern mit der Open Air Galerie Hammerschmiede einen besonders großen Rahmen bieten, um sich der Öffentlichkeit zu präsentieren", sagt der Co-Vorsitzende Lutz Becker mit einem Augenzwinkern beim Aufbau der 5,50 mal 4 Meter großen Konstruktion aus Baugerüsten, an der die jeweiligen Plakate im Wechsel aufgehängt werden. „Vielen Menschen, die tagtäglich am historischen Henschel-Gelände zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Auto vorbeikommen, ist gar nicht klar, dass hinter diesen Mauern seit über 20 Jahren kreativ gearbeitet wird und sehenswerte Kunst und Kultur entsteht. Das wollen wir sichtbar machen!“
Informationen zu den jeweils aktuell gezeigten Arbeiten sowie den teilnehmenden Mitgliedern werden zukünftig online zur Verfügung gestellt.
Das Netzwerk Hammerschmiede e.V. ist in der Wolfhager Str. 109 auf dem ehemalige Thyssen-Henschel Fabrikgelände, in der Alten Hammerschmiede ansässig. Nach der endgültigen Stilllegung des Werks 1998 wurden noch einige große Hallen als Lagerräume u.a. von Speditionsfirmen genutzt. Seit dem Jahr 2000 siedeln sich hier Künstler*innen, Musiker*innen, Medienschaffende, Kunsthandwerker*innen und kleine Handwerksbetriebe an.