11.02.2022Open Air Galerie Hammerschmiede: 8 Julian Rossmeisl

Der Kasseler Maler Julian Rossmeisl hat das Bild „Sprung ins Glück“ exklusiv für das achte Plakat der Open Air Galerie Hammerschmiede angefertigt.

Im April 2021, inmitten der sogenannten ‚Dritten Welle‘ der COVID-19-Pandemie in Deutschland, entsteht am Steinbruchsee Bühl in der Nähe der nordhessischen Gemeinde Ahnatal eine Fotografie: ein als weiblich zu identifizierender Mensch – die Statur lässt die Vermutung zu – blickt auf einem Landesteg hüpfend fröhlich in die Kamera. Der in der Totalen abgelichtete Körper ist in der Bewegung eingefangen, das linke Bein im Sprung hinter sich geworfen, mit wehenden braunen Haaren, die Arme weit geöffnet. Es wird die Vorlage des Gemäldes „Sprung ins Glück“ sein.

Julian Rossmeisls malerisches Gesamtwerk ist äußerst vielfältig: Von menschenleeren Landschaften über humoristische Szenen bis zu Studien des menschlichen Körpers. So verwundert es nicht, dass der Fokus von „Sprung ins Glück“ auch gänzlich auf der nicht näher definierten weiblichen Person liegt. Das rote Oberteil lenkt den Blick auf ihr lächelndes, sich den Betrachtenden zugewandtes Gesicht. Doch während die Falten der Kleidung erkennbar sind und die sichtbare Haut des Körpers im Detail wenig ausgearbeitet ist, bleiben die Ebenen des Hintergrundes der Szene annähernd unkonkret. Es scheint, als gehe es eigentlich nicht um die tatsächliche Umgebung oder gar um die Frau an sich.
Rossmeisls künstlerisches Interesse gilt, wie in vielen seiner Werke, allein der Atmosphäre. Es ist die fröhliche, heitere Stimmung, die sich dem Wunsch des Malers nach vermitteln soll. Die abgebildete Frau repräsentiert folglich kein porträtiertes Individuum oder ist Sinnbild einer Phantasie. Sie wird bei Rossmeisl zu einer allgemeinen Bedeutungsträgerin des Glücks – durch den Sprung. Denn: „Man kann sich auf verschiedenen Arten durch einen Sprung befreien“, so der Künstler.

An der Wolfhager Straße, im Frühjahr 2022 hat dieser „Sprung ins Glück“ möglicherweise die Energie, einen Sprung für uns alle darzustellen. So individuell das dabei anvisierte Glück für jeden Menschen letztlich sein mag, sicher ist: Es ist auch ein Sprung in das Glück des nahenden Frühlings und wärmerer Tage.

Julian Rossmeisl wurde 1978 in Kassel geboren. Er legte 2002 am Ruhr-Kolleg Essen die Abiturprüfung ab und studierte im Anschluss kurzzeitig Kommunikationsdesign an der Universität Gesamthochschule Essen (heutige Universität Duisburg-Essen; der Studiengang selbst ist Mitte der 2000er-Jahre in die Folkwang Universität der Künste eingegliedert worden). Er arbeitet als Persönliche Assistenz zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen beim fab – Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter e. V. Einzelausstellungen u.a. 2019 „Menschenbilder“ in der Neuen Brüderkirche Kassel sowie im Stadtteilzentrum Wesertor sowie 2014 „Licht und Landschaften“ im Cafè Hurricane Kassel. Mit Isabel Lopez Traudt stellte er mit „Wege zum Realismus“ 2014 im Hotel Ramada Kassel (heutiges H4 Hotel) aus. Mit seinen humoristischen Arbeiten nahm er seit 2010 fünf Mal an der Sommerakademie für Komische Kunst der Caricatura – Galerie für Komische Kunst in Kassel teil.

Text: Simon Großpietsch


Julian Rossmeisl
Sprung ins Glück, 2021
80 x 50 cm
Ölfarbe auf Leinwand

16.12.2021Open Air Galerie Hammerschmiede: 7 Bernd Hamelmann

Mit „Ein Schaf namens Elli“ zeigt Bernd Hamelmann das siebte Plakat der Open Air Galerie Hammerschmiede.

Bei Elli handelt es sich um eine Skulptur aus Pappmaché, welche 2017 zusammen mit einer kleinen Familie aus schwarzen und weißen Schafen entstanden ist. Das an der Wolfhager Straße ausgestellte Plakat ist eine extra für die Open Air Galerie Hammerschmiede am Computer erstellte Bildkomposition mit dem Pappmaché-Schaf. Der an die 1970er Jahre erinnernde Bildhintergrund des Plakates begleitet Hamelmann seit seiner Kindheit und bringt zugleich die schönsten Herbstfarben zum Vorschein. (Die Herren Verner Panton und Luigi Colani wären sicherlich entzückt bei diesem Anblick.)

Schaf Elli erstrahlt durch einfache und reine Lebensfreude, die viele Betrachter*innen im manchmal sehr grauen Winter-Einerlei in ähnliche Freuden zu versetzen versucht. Was ein Schaf halt so alles macht... oder auch nicht! Wer weiß das schon, wenn man nicht selbst ein Schaf ist?! Momentan erfreut es sich also daran, die Wolfhager Straße anzuschauen und allen Vorbeiziehenden wohl gesonnen entgegen zu blicken.

Hamelmann wurde in Dortmund geboren und beschäftigte sich dort mit visuellem Marketing und grafischen Arbeiten. Zusammen mit Gunther Nowak startete er 2002 seine künstlerische Ausbildung und hat seitdem das Atelier in der Alten Hammerschmiede. 2010 folgte eine Ausbildung zum Grafiker an der Fernseh Akademie Mitteldeutschland – FAM gGmbH in Leipzig. Wieder nach Kassel zu Atelier und Freunden im schönen Nordhessen heimgekehrt, widmet er sich weiterhin unterschiedlichsten Arbeiten in Grafik, Design und Siebdruck.


Bernd Hamelmann
Ein Schaf namens Elli, 2017
80 x 100 x 50 cm
Pappmaché, Metall, Farben

für die Open Air Galerie Hammerschmiede:

Ein Schaf namens Elli – Plakat, 2021
370 x 270 cm
Computergenerierte Bildkomposition, bedruckte Kunststoffplane

14.12.2021Open Air Galerie Hammerschmiede: 6 Alfred Rose

Das sechste Plakat der Open Air Galerie Hammerschmiede zeigt die Vergrößerung einer Zeichnung von Alfred Rose, die einerseits nicht als Zeichnung eines Gegenstandes konzipiert ist, andererseits an Gegenständliches erinnern kann.

Rose dazu: „Der erste Strich wird spontan und intuitiv gesetzt. Er löst darüber Erinnerungsspuren, Stimmungen, Anklänge aus. Der Fortgang der Arbeit greift davon auf, variiert, transformiert, zerstört oder ignoriert: somit bezieht sich jetzt jeder Arbeitsschritt auf das bereits Vorhandene. Formale Stimmigkeit ist dabei kein Widerspruch zur spontanen Arbeitsweise, beide Aspekte greifen ineinander. Meine Bilder tragen keine Titel. Sie werden mit dem Entstehungstag datiert, wobei eine Überarbeitung durchaus zu einem zweiten Datum führen kann.“

Alfred Rose, 1946 geboren in Treysa; 1965 bis 1968 Studium der Erziehungswissenschaften und Kunsterziehung in Gießen; 1998 Umzug von Marburg nach Kassel. Arbeitsbereiche in der Kunst: abstrakte Zeichnungen und Malerei, Skulpturen in Stein und Stahl, Klanginstallationen aus Stahl. Ausstellungen: Atelierrundgang 2013, 15, 18, 19, 21; Einzelausstellung in der Galerie im Hessischen Verwaltungsgerichtshof 2014; Kunstmesse 2016, 18; d:gallery 2014, 21; seit 09. 2019 Mitglied im BBK.


Alfred Rose
o.T., 07.04.2010 / 13.09.2011
20 x 27,8 cm
Papier, Tusche, Stahl- und Rohrfeder, Federmesser

13.11.2021Open Air Galerie Hammerschmiede: 5 Anne Rink

Der Ausschnitt eines Aquarells mit Tusche von Anne Rink ist das fünfte Plakat der Open Air Galerie Hammerschmiede.

Rink, die seit vielen Jahren mit Aquarell arbeitet, wählt häufig junge Frauen für ihre Bildmotive. Die Vorlagen und Ideen dazu findet sie unter anderem in Modezeitschriften und Lifestylemagazinen. Diese nach wie vor mit der Handelsbezeichnung „Frauenzeitschrift“ besetzten Printmedien, die stereotyp-heteronormativ-weibliche Themen wie Mode, Kosmetik, Partnerschaft oder Ernährung behandeln, propagieren stereotyp-weibliche Schönheits- und Rollenbilder. Durch die Übertragung der Bilder von Schönheit und Stereotypie aus diesen Zeitschriften eignet Rink sich diese an und überführt sie zugleich in ein undefinierbares Moment: „Meine Arbeiten gefallen mir erst, wenn etwas an den Schönheiten creepy ist. Sei es das Ambiente, eine kleine Veränderung ins Groteske oder Ähnliches.“

Der für die Open Air Galerie Hammerschmiede ausgewählte Ausschnitt des Blattes „Kopf“ arbeitet mit eben diesen Stereotypen und Interventionen: Das Portrait eines Menschen im Profil, die Augen sind geschlossen, der Kopf ist leicht von den Betrachtenden abgewandt, wodurch der Hals deutlich erkennbar ist. Durch die Konturen des Gesichts, den schmalen Hals, die blasse Haut, die Lippen, die zierliche Nase, die Rink akzentuierend mit Tusche festgehalten hat, erscheint es wie das Antlitz einer jungen Frau. Das lange Kopfhaar steht im Moment gefroren, wellig und wehend im Wind. Die bordeauxrote Kleidung schließt am Hals und schmiegt sich eng an, wie eine Art Suit.

Hat die Szene, die eine nicht weiter definierte Frau zeigt, durch die vermeintlich biologisch-weiblichen Merkmale eine bezaubernde Empfindsamkeit, zerfällt der Eindruck bei näherer Betrachtung zunehmend. Die helle Haut, sie wirkt ungesund gelblich-fahl; der leicht geöffnete Mund formt sich dunkel, wie zu einem verzweifelten Laut; der schmale Hals wirkt verletzbar und bedroht: eine undefinierte bordeauxrote Masse schiebt sich langsam empor. Die Schultern sind bereits bedeckt, wie kleine Tentakel greifen sieben sichtbare Glieder bedrohlich nach der Wange der Frau. „Man kann sich fragen: Wird sie erwürgt? Erstickt? Von was oder wem?“, so Anne Rink zu dem Bild.

Es ist eine Art Vexierbild, was im flüchtigen Blick den Kopf einer schönen Frau zeigt – und erst bei näherer Betrachtung Bedrohlichkeit und Unbehagen offenbart. Vielleicht eine ganz passende Allegorie auf jenes toxische Frauen- und Geschlechterbild, was sogenannte „Frauenzeitschriften“ seit jeher in die Welt tragen.

Anne Rink, die 1965 in Gießen geboren wurde, studierte Lehramt Kunst an der Gesamthochschule Kassel (heutige Universität Kassel und Kunsthochschule Kassel). Nach 5 Jahren als selbstständige Künstlerin, Dozentin und Keramikerin, ist sie seit 2007 als Studienrätin und Lehrerin für Kunst und Englisch an verschiedenen Gesamtschulen tätig. Im Netzwerk Hammerschmiede e.V. ist sie seit 2012 Mitglied. Rink nahm u.a. 1999 an der Ausstellung „dazwischen“ im Kulturhaus Dock 4 Kassel mit den Fotografien „naughty eyes“ sowie 2019 an der Jubiläumsausstellung „10 Jahre Netzwerk Hammerschmiede“ mit Fotografien und Aquarellen teil.

Text: Simon Großpietsch

Anne Rink
Kopf, 2019
32 x 47 cm I Ausschnitt: ca. 27 x 20 cm
Aquarellpapier, Aquarellfarben, Tusche

20.10.2021Open Air Galerie Hammerschmiede: 4 Michael Hank Becker

Der Maler Michael Becker, der zudem als Hank Ockmonic als Musiker tätig ist, zeigt mit einem Motiv aus der Kiosk-Serie das vierte Plakat der Open Air Galerie Hammerschmiede.

Becker, so scheint es, hat eine Vorliebe für nicht mehr ganz Neues. Seien es Gebäude der Stadt Kassel, Motive von Filmklassikern, Pin-up-Models oder ehemalige Spieler von Eintracht Frankfurt: in den Bildern schwingt eine Nostalgie, die schwer zu ignorieren ist. Durch die nachträgliche Kolorierung am Computer konzentriert sich gleichwohl ein heiteres, leichtes Moment, sodass die Zeichnungen nicht wie alte Bilder aus vergangenen Zeiten erscheinen. Beckers Grafiken wirken mitunter wie einzelne Motive einer Graphic Novel, deren Kontext verloren gegangen scheint.

Der „Kiosk an der Werner-Hilpert-Str.“ der an der Ecke Joseph-Beuys-Straße, vor dem Gebäude des Hotel Reiss steht, zeigt laut Becker ein Stück Alltagsleben in Form eines „architektonischen, unprätentiösen Kleinodes“. Als kleine Verkaufsstellen konzipiert, hat das von der Nachkriegsachitektur der 1950er- und 1960er-Jahre geprägte städtische Gewebe Kassels bis heute einige dieser charakteristischen freistehenden Gebäude. Im Laufe der Jahrzehnte sind diese mittlerweile denkmalgeschützten Bauwerke von diversen Pächter*innen in unterschiedlichsten Formen betrieben worden. In Beckers Darstellungen, in denen stilisierte Menschen und Figuren an den kleinen Tresen lehnen oder unter Sonnenschirmen sitzen, sind die Kioske belebt. Die Gebäude erfüllen ihre Funktion.

So zeigt auch die Darstellung des 1956 nach dem Entwurf von Kurt Twelker (1909–2000) fertig gestellten Kiosks auf dem großformatigen Bild nicht die metallgerahmte Glasfläche der verkaufsseitigen Fassade. Es zeigt Stühle und Tische, die ein klein wenig abseits der viel befahrenen Werner-Hilpert-Straße hinter dem Gebäude aufgestellt sind und zum Verweilen einladen sollen.

Als offene, freistehende Pavillone sind Kioske seit dem 13. Jahrhundert in Zentral- und Südwestasien in Park- und Gartenanlagen bekannt. Als ebensolche gelangte die Bauform im 18. Jahrhundert in den Westen und wurde ab dem 19. Jahrhundert schließlich auch als Bezeichnung für eine kleine Verkaufsfläche genutzt. Es erheitert zuweilen der Gedanke, dass es in Deutschland allzu dumpfe Gemüter geben wird, die täglich an einem Kiosk Tabakwahren und Getränke kaufen und zugleich die Tatsache, dass nicht zuletzt auch diese Bezeichnung aus dem Mittelpersischen (kūšk) über das Französische (kiosque) in die deutsche Sprache übernommen wurde, zutiefst verachten werden.

Michael Becker hat ungarische und oberhessische Wurzeln. Er studierte Musik und Kunst in Kassel. Mit Hank und die Shakers sowie Speed Chicken tritt er seit Jahren als Hank Ockmonic auf. Mit Randfilm e.V. Kassel verbindet ihn eine jahrelange Freundschaft und Kollaboration. Gemeinsam haben sie das Programm "Hank und die Shakers spielen Ennio Morricone" auf Bühne und Schallplatte gebracht. Eine neue LP mit Eigenkompositionen befindet sich aktuell im Presswerk. Becker gibt darüber hinaus Gitarren-, Klarinetten- und Klavierunterricht.

Text: Simon Großpietsch

Michael Hank Becker
Kiosk an der Werner-Hilpert-Str., 2011
30 x 42 cm
Papier, Bleistift, Filzstift, Permanentmarker, computergenerierte Kolorierung